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3. Mrz 2019

Katze, Mops & Vieh – sind Tiere pfändbar?

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Die im Auftrag der Stadt Ahlen vorgenommene Pfändung des Mopses Edda, u.a. wegen ausstehender Hundesteuer und sein Verkauf via Ebay-Kleinanzeigen macht derzeit Schlagzeilen. Haustiere gelten eigentlich als unpfändbar, so der Geschäftsführer des Bundes Deutscher Gerichtsvollzieher, laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 1. März, S. 6 („Deutschland und die Welt“). Der Sprecher der Stadt Ahlen, so die FAZ aaO, habe hingegen mitgeteilt, bei einem wertvollen Haustier sei die Pfändung gerechtfertigt. Auch aus dem Nordrhein-Westfälischen Innenministerium heißt es laut Westdeutscher Rundfunk die Pfändung sei zumindest im Ausnahmefall erlaubt, diese Art der Verwertung entspreche aber wohl nicht den Regeln. Wie ist die Rechtslage?

Das Zwangsvollstreckungsrecht enthält zur Pfändung von Tieren eine ganze Reihe von Regelungen:

  1. Pfändungsschutz für Nutz- und Hilfstiere

Abgesehen von dem aus der Zeit gefallenen Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für „…Kleintiere in beschränkter Zahl sowie eine Milchkuh oder nach Wahl des Schuldners statt einer solchen insgesamt zwei Schweine, Ziegen oder Schafe, wenn diese … für die Ernährung des Schuldners … erforderlich sind…“, ist bei Landwirten auch das „…für den Wirtschaftsbetrieb erforderliche Vieh“ nach § 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO unpfändbar. (Hervorhebungen CMH)

Das Vieh darf übrigens von denjenigen Gläubigern gepfändet werden, die „…wegen einer durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Geldforderung...“ aus dem Viehverkauf vollstrecken, so § 811 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Eine Austauschpfändung ist weder bei den zu Ernährungszwecken noch bei den zu landwirtschaftlichen Zwecken gehaltenen Tieren möglich.

Für die Tiere von Züchtern gilt § 811 Nr. 5 ZPO: Es handelt sich um zur „Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderliche Gegenstände“. Wer zu Erwerbszwecken eine Hundezucht betreibt, dessen Hunde genießen also vollständigen Pfändungsschutz. Eine Austauschpfändung wäre hier zwar grundsätzlich zulässig (§ 811 a Abs. 1 ZPO), ist aber praktisch kaum vorstellbar. Ein Blindenhund schließlich würde unter das Pfändungsverbot der § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO fallen, weil er ein für ein „…körperliches Gebrechen notwendiges Hilfsmittel…“ ist.

Für Nutztiere, Zuchttiere und Hilfstiere gibt es also einen sehr umfassenden Pfändungsschutz, letztlich nur mit der Ausnahme der Pfändung durch den Viehverkäufer wegen einer offenen Forderung aus diesem Verkauf.

  1. Pfändungsschutz für Haustiere

811 c ZPO enthält Regelungen zu Haustieren und ordnet in der Tat zunächst an, das „..Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, der Pfändung nicht unterworfen sind“…, so § 811 c Abs. 1 ZPO. Das hört sich gut an für Mops & Co.

Es ging dem Gesetzgeber bei dieser erst 1990 eingeführten Regelung um die emotionale Beziehung zwischen Mensch und Haustier und um den Tierschutz (BT-Drucks. 11/5463, S. 7). Bis dato waren Haustiere nur bis zu einem Wert von bis zu 500 DM unpfändbar (§ 811 Nr. 14 ZPO aF), wertvollere Haustiere genossen keinen Pfändungsschutz. Genau diese Unterscheidung nach wertvollen und nicht wertvollen Haustieren war nicht mehr gewünscht (BT-Drucks. aaO).

Dann enthält die Regelung allerdings doch eine Ausnahme: „Auf Antrag des Gläubigers lässt das Vollstreckungsgericht eine Pfändung wegen des hohen Wertes des Tieres zu, wenn die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldner nicht zu rechtfertigen ist.“, so § 811c Abs. 2 ZPO.

Die Pfändung darf also nur durch ein Gericht und jedenfalls nur dann zugelassen werden, wenn das Tier einen hohen Wert hat. In der Regel verlangt man heute, dass deutlich mehr als 250 € bei der Verwertung erzielt werden. In Betracht kommen nach der Literatur zB wertvolle Reitpferde, Rassehunde (sic!) und seltene Tierarten sowie Koi-Karpfen und Papageien (Hk-ZV/Kindl ZPO § 811 Rn 5 mwN). Offenbar gibt es also doch eine Möglichkeit, Haustiere zu pfänden. Tierschutz, Gläubiger- und Schuldnerinteresse sowie Wert des Tieres müssen zueinander in Relation gebracht werden – kommt es dabei durch die Unpfändbarkeit zu einer ungerechtfertigten Härte für den Gläubiger, ist nach § 811c Abs. 2 ZPO auch das Haustier pfändbar. Für die Position der Stadt Ahlen gibt es also Gründe im Wortlaut der Norm, vorausgesetzt die entsprechende richterliche Abwägung und Entscheidung hat angemessen stattgefunden. Dass sie bei der Verwaltungsvollstreckung durch die Behörde selbst vorgenommen wird (s.u. 4.) ändert daran nichts.

Zum Inhalt und den Vorgaben der Abwägung ist dann freilich genauer nach den Motiven und dem Sinn und Zweck der Norm zu schauen. Nach dem Willen des Gesetzgebers ging es bei Abs. 2 lediglich darum, die Folgen eines zu weitgehenden Pfändungsverbotes zu vermeiden: Ein solches berge die Gefahr in sich, „daß der Schuldner Vermögenswerte dem Zugriff seiner Gläubiger entzieht, indem er wertvolle Reitpferde, Rassehunde oder seltene Tierarten erwirbt, zu denen er keine engen emotionalen Beziehungen hat“ (BT-Drucks aaO). Wie realistisch diese Einschätzung ist, dass ein Schuldner sein Geld in wertvollen Haustieren anlegt, um Vermögen dem Gläubigerzugriff zu entziehen, mag dahinstehen. Die Begründung zeigt jedoch, dass nur an wenige Fälle gedacht war, in denen der Schuldner das Pfändungsverbot letztlich bewusst ausnutzt. Es geht insofern auch nach dem objektiven Sinne und Zweck der Norm um die Fälle, in denen ein Affektionsinteresse an dem Tier nicht oder kaum vorhanden ist. Ansonsten sollte es nach der Neuregelung gerade nicht mehr auf den Wert des Tieres ankommen. Ein Fall, in dem ein vorhandenes Affektionsinteresse des Schuldners hinter dem Zugriffsinteresse des Gläubigers zurücksteht, ist insofern kaum vorstellbar. Zu beachten ist außerdem, dass auch Belange des Tierschutzes, das heißt nicht nur das menschliche Affektionsinteresse, sondern auch die Folgen, die es für das Tier hat, aus seiner gewohnten Umgebung herausgenommen zu werden, berücksichtigt werden müssen. Die die Hundesteuer hinterziehende Familie aus Ahlen darf also weder ein Affektionsinteresse ihrem Hund gegenüber gehabt haben, noch darf es aus Gründen des Tierschutzes geboten gewesen sein, ihn in seiner Umgebung zu belassen – nur dann wäre die Anordnung der Pfändung zulässig gewesen. Es ist nicht vorstellbar, dass diese Voraussetzungen vorlagen, ja, dass sie bei einem sozialisierten Haushund – dessen Domestizierung bis zur Hochkultur des Mopses begann wahrscheinlich vor mehr als 100.000 Jahren – überhaupt vorliegen können. Nicht zuletzt muss die Norm verfassungskonform interpretiert werden: „Die Tiere“ werden inzwischen durch das Grundgesetz ausdrücklich geschützt, Art. 20a GG. Mögen Tiere auch keine selbständigen Grundrechtssubjekte sein, ist nach der Verfassung doch erforderlich, dass eine Maßnahme des einfachen Rechts immer auch mit dem Tierschutzgedanken in Einklang steht.

Der Fall, dass die Voraussetzungen des § 811 c Abs. 2 ZPO vorliegen, ist also nur bei bewusstem Ausnutzen der Pfändungsschutzvorschrift zu Lasten des Gläubigers und wenn zugleich der Tierschutz nicht gegen die Entnahme des Tieres spricht, vorstellbar. Ohne dass die Details der Abwägungsentscheidung im Falle des Mopses Edda näher bekannt sind, bedeutet das, dass seine Pfändung rechtswidrig war.

  1. Verwertung

Besondere Entrüstung hat die Verwertung des Hundes bei Ebay-Kleinanzeigen mit sich gebracht. Dazu nur folgendes: Die Regelverwertungsform nach einer Pfändung ist in der Tat die öffentliche Versteigerung (§ 814 Abs. 1 ZPO), der inzwischen auch die Online-Versteigerung über die Plattformen der Landesjustizverwaltung zur Seite gestellt wurde (§ 814 Abs. 2 ZPO). Aber auch eine andere Art der Verwertung ist durchaus möglich (§ 825 Abs. 1 ZPO) und dazu zählt sowohl der freihändige Verkauf als auch eine Verwertung auf einer privaten Online-Plattform (näher s. Meller-Hannich, Der Gerichtsvollzieher bei „ebay & Co. – Rechtsfragen, Lösungsvorschläge und Gesetzesvorhaben zur Verwertung gepfändeter Sachen im Internet, DGVZ 2009, S. 21). In vielen Fällen bringt dies einen höheren Erlös und auch den Tierschutzbelangen wird eine öffentliche Versteigerung wohl noch mehr widersprechen als ein freihändiger Verkauf,

  1. Vollstreckung durch Behörden nach landeseigenen Gesetzen?

Übrigens: Dass es sich um eine Pfändung durch die öffentliche Hand wegen einer Steuerforderung handelte, macht keinen entscheidenden Unterschied. Sowohl die Abgabenordnung (§ 295 AO) als auch die Verwaltungsvollstreckungsgesetze Bund/Land verweisen (§ 5 VwVG/§ 27 VwVG NRW) auf §§ 811 ff ZPO. Nur dass eben an Stelle des Vollstreckungsgerichts die Vollstreckungsbehörde entscheidet – vielleicht wäre hier Bedarf de lege ferenda?

  1. Fazit

Die Europäisch Kurzhaar Katze, die heute unser Titelbild ist, würde bei der Verwertung wohl nicht allzu viel Erlös bringen, an ihr besteht ein großes Affektionsinteresse und die Belange des Tierschutzes verbieten, sie aus ihrer gewohnten Umgebung zu entfernen – zum Glück  und ohne Zweifel unpfändbar!! Aber auch Mops Edda hätte bei richtiger Gesetzesauslegung nicht gepfändet werden dürfen.

 

Über Caroline Meller-Hannich

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