RSS-Feed abonnieren

Passwort vergessen?

v Anmelden

28. Nov 2015

Der Autokäufer darf auch bei der Vertragsrückabwicklung „zuhause“ klagen – aber nur, wenn er einen Zug-um-Zug-Antrag stellt

Verfasst von

Das OLG Hamm hatte kürzlich über die Frage zu entscheiden, ob ein Käufer, der vom Kaufvertrag über ein ihm bereits überlassenes Fahrzeug zurücktritt, die Vertragsrückabwicklung bei dem Gericht am Wohn- oder Geschäftssitz des beklagten Verkäufers einklagen muss (Urteil v. 27.10.2015, Az.: 28 U 91/15).

Der klagende Käufer aus Löhne in Nordrhein-Westfalen erwarb beim beklagten Verkäufer aus Potsdam ein Gebrauchtfahrzeug. Zuhause in Nordrhein-Westfalen kam dem Käufer der Verdacht, dass der im Kaufvertrag angegebene Kilometerstand unzutreffend sei und das Fahrzeug tatsächlich eine erheblich höhere Laufleistung aufweise. Noch bevor er das Fahrzeug auf seinen Namen zuließ, erklärte er gegenüber dem Verkäufer den Vertragsrücktritt und machte die Rückabwicklung des Kaufvertrages klageweise geltend. Die vom Kläger vor dem Landgericht Bielefeld erhobene Klage wurde als unzulässig abgewiesen, weil das Landgericht einen Gerichtsstand in Bielefeld nicht als gegeben ansah. Gegen diese Entscheidung wendete der Kläger sich mit seiner Berufung zum OLG.

Das OLG Hamm hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und verpflichtete das Landgericht, den Rechtsstreit zu verhandeln und zu entscheiden. Der Käufer dürfe den Prozess über die Rückabwicklung an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Amts- oder Landgericht einklagen, da dort der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben sei.

Dank § 29 ZPO darf man also auch bei der Rückabwicklung am Erfüllungsort klagen. Die Entscheidung des OLG entspricht der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, die bei der Rückabwicklung eines Autokaufs den Gerichtsstand des Erfüllungsortes dort annimmt, wo sich das gekaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befindet – nämlich regelmäßig am Wohnsitz des Käufers. So hatte zuletzt auch das OLG München entschieden und ausgeführt, dass im Falle der Klage des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache „Erfüllungsort und damit besonderer Gerichtsstand im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO der Ort [ist], an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts nach dem Vertrag befindet, da dort die Kaufsache zurück zu gewähren ist. Dies ist bei einer Kaufsache, die zur Fortbewegung bestimmt ist, regelmäßig der Ort an dem sie nach dem Vertrag überwiegend genutzt oder gewöhnlich abgestellt wird, schon in der Regel also der Wohn- oder Betriebssitz des Käufers“ (OLG München, Urteil v. 13.01.2014, Az.: 19 U 3721/13).

Wie kam es also zu der klageabweisenden Entscheidung des Landgerichts Bielefeld? Der Kläger hatte erstinstanzlich keinen Zug-um-Zug-Antrag auf Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache gestellt, sondern nur Kaufpreisrückzahlung begehrt. Auch das Landgericht hat den gemäß § 139 Abs.1 S. 2 ZPO gebotenen richterlichen Hinweis auf Klageumstellung unterlassen. Erst in der Berufungsbegründung korrigierte und ergänzte der Kläger seinen Antrag und schuf damit erstmals die Voraussetzung, auf den Ort der Rückgewähr der Kaufsache als Erfüllungsort im Sinne des § 29 Abs. 1 ZPO abzustellen.

Es bleibt festzuhalten: Die vollständige Antragsstellung in den Fällen einer klageweisen Vertragsrückabwicklung empfiehlt sich nicht nur, um eine teilweise Klageabweisung mit nachteiliger Kostenfolge zu vermeiden, sondern kann bereits originärer Bestandteil der Zuständigkeitsbegründung des angerufenen Gerichts sein.

 

Von Doktorand Philipp Hardung

Über Caroline Meller-Hannich

2 Kommentare

  1. St. Ivo sagt:

    Stimmt das denn überhaupt, dass die Rückgewährpflichten per se Zug um Zug zu erfüllen sind, oder muss hierfür die Einrede nach § 348 S. 2 i.V.m. § 320 Abs. 1 BGB erhoben worden sein?

    Ist es deshalb richtig, die Zug-um-Zug-Einschränkung für die Zuständigkeitsbegründung auch dann zu verlangen, wenn der andere Teil diese Einrede gar nicht erhoben hatte (wie hier)?

    Und ist es nicht vielleicht überhaupt falsch, dergestalt an die Rückgabe der Kaufsache anzuknüpfen, weil es wohl bedeuten müsste, dass der Käufer die Kaufpreisrückzahlungsklage immer dann beim Verkäufer erheben müsste, wenn ihn keine Zug um Zug zu erfüllenden eigenen Rückgewährpflichten treffen (zB weil sie schon erfüllt sind – die Sache ist nach erfolgloser Reparatur beim Verkäufer geblieben – oder weil sie wegen vollständiger Zerstörung der Kaufsache nie bestanden haben)?

  2. Philipp Hardung sagt:

    Vielen Dank für Ihren Kommentar und das damit verbundene Interesse an meinem Beitrag.
    Zunächst darf ich auf Ihre Frage zurückkommen, ob die Rückgewährpflichten per se Zug um Zug zu erfüllen sind oder ob dafür die Einrede nach § 348 S. 2 i. V. m. § 320 Abs. 1 BGB erhoben worden sein muss.
    Wie Sie zutreffend ausführen, handelt es sich um eine Einrede, daher entfaltet sie grundsätzlich auch erst dann ihre Wirkung – nämlich die Zug um Zug-weise Erfüllung der Rückgewährpflichten -, wenn sich eine Partei auf sie beruft. Notwendiger Bestandteil des Antrags auf Rückzahlung des Kaufpreises im Rahmen einer Vertragsrückabwicklung ist sie daher freilich nicht. Bei dem Vorliegen der Voraussetzungen der Einrede, ist obige Antragsstellung aber regelmäßig zweckmäßig, denn hielte der Kläger anderenfalls am uneingeschränkten Antrag fest und der Beklagte würde sich während des Prozesses auf die Einrede aus § 348 S. 2 i. V. m. § 320 Abs. 1 BGB berufen und mit seinem Gegenrecht durchdringen, würde der Kläger mit seinem Antrag nicht voll obsiegen, mit der Folge einer nachteiligen Kostenentscheidung nach § 92 ZPO.

    Hinsichtlich Ihrer zweiten Anmerkung gilt es meines Erachtens zunächst einmal zu bedenken, dass die „streitige Verpflichtung“ im Sinne des § 29 Abs. 1 ZPO der materiell-rechtliche Anspruch ist, der mit dem Klageantrag zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht wird. Durch die Zug-um-Zug-Einschränkung macht der Kläger auch den Anspruch auf Rückgewähr der Kaufsache zum Gegenstand des Rechtsstreits. Nach dem aufgehobenen Urteil des Landgerichts Bielefeld ist nur der Erfüllungsort der Rückgewähr der Kaufsache regelmäßig am Wohn- und Betriebssitz des Käufers, nicht aber der Erfüllungsort der Rückzahlung des Kaufpreises (obwohl dies auch anders beurteilt wird, vgl. Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 29 Rn.62 m. w. N.). Demgegenüber kann man den Entscheidungsgründen des Urteils des OLG Hamms eine gewisse Sympathie für einen einheitlichen Gerichtsstand des Erfüllungsortes an dem Ort, wo sich das gekaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befindet, nicht absprechen. Letztlich entscheiden musste es diese Rechtsfrage aber nicht, da der Kläger in der Berufungsbegründung den Zug um Zug-Antrag schließlich nachholte. Auch das OLG München hatte in der zitierten Entscheidung nur über einen Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache zu entscheiden.

    Ob die Zug-um-Zug-Einschränkung also auch dann verlangt werden soll, wenn der andere Teil diese Einrede gar nicht erhoben hatte und folglich nur über den Kaufpreisrückzahlungsanspruch entschieden werden soll, wird unterschiedlich beurteilt. Die Literatur (Stöber: Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag, NJW 2006, 2661 ff.) sieht zum Teil einen einheitlicher Erfüllungsort in diesem Fall nicht als gegeben an und bestimmt – mangels Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 269 Abs. 1 BGB (der Erfüllungsort nach § 29 Abs. 1 ZPO bestimmt sich nach materiellen Recht) – den Leistungsort für jede einzelne Pflicht des Rückgewährschuldverhältnisses gesondert. Danach ist die Kaufpreisrückzahlung an den Käufer am Sitz des Verkäufers zu erfüllen. Ich finde die Begründung überzeugend. Wie sollte dogmatisch auch ein einheitlicher Gerichtsstand am Belegenheitsort der Kaufsache auch für die reine Kaufpreisrückzahlung begründet werden? Allein mit dem Parteiwillen lässt sich dies sicher nicht begründen, denn welches dahingehende Interesse sollte der Verkäufer wohl daran haben? Und welche besonderen Umstände nach § 269 BGB sollen dafür auch ins Feld geführt werden?
    Deshalb teile ich auch Ihre Auffassung nicht, dass es falsch wäre, den Käufer immer zur Erhebung der Kaufpreisrückzahlungsklage beim Verkäufer zu zwingen, wenn ihn keine Zug um Zug zu erfüllenden eigenen Rückgewährpflichten treffen. Es ist schließlich durchaus denkbar, dass die Kaufsache im Zeitpunkt des Rücktritts bestimmungsgemäß weder am Sitz des Käufers, noch am Sitz des Verkäufers belegen ist. Einer etwaig zu bejahenden Schutzbedürftigkeit des Klägers vor der Entstehung hoher Reise- oder Transportkosten könnte in dieser Konstellation durch die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes nicht Rechnung getragen werden. Umgekehrt ließe sich eine aufwendige und kostspieligere Beweisaufnahme nicht vermeiden, wenn man in diesen Fällen den Sitz des Käufers als Erfüllungsort ansähe. Auch hat der deutsche Gesetzgeber trotz mehrerer ZPO-Novellen davon abgesehen, für die innerstaatliche Zuständigkeit einen besonderen Gerichtsstand am Ort der Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung einzuführen.
    Auch lässt diese Annahme unberücksichtigt, dass es sich bei dem Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung um eine Geldforderung handelt, die ihrer Beschaffenheit nach für sich genommen nicht zur Annahme eines vom Wohn- bzw. Geschäftssitz des Schuldners verschiedenen Leistungsortes und Gerichtsstands nach § 29 Abs. 1 ZPO führen kann, denn schließlich besteht bei der Erfüllung von Geldschulden keine Bindung an einen bestimmten Ort.

Kommentieren

*