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10. Mrz 2014

Die Reform des Insolvenzrechts – Konzerninsolvenzen – Teil II. Probleme

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Der Gesetzentwurf zur Reform des Insolvenzrechts, um Konzerninsolvenzen besser als bisher abwickeln zu können, wird wohl seine Wirkungen verfehlen.
Er übersieht die wesentlichen Probleme einer Konzerninsolvenz und begünstigt einige sogar.

Schon die Problemanalyse des Gesetzesentwurfs scheint lückenhaft. Das Problem bei Konzerninsolvenzen mag ja auch eine mögliche unkoordinierte Abwicklung der einzelnen rechtlich selbständigen Unternehmen sein. Es ist aber zu vermuten, dass aufgrund der Professionalisierung aller Beteiligten, dieses Problem selten auftreten dürfte. Selbst wenn man die Professionalisierung der am Verfahren Beteiligten deshalb nicht gelten lassen möchte, weil diese ihre Positionen innerhalb einer Konzerntochter dazu nutzen sollen ( §§ 1, 60 InsO), für ihr Verfahren die größtmögliche Gläubigerbefriedigung zu erreichen, hätte es zumindest einer empirischen Untersuchung dazu bedurft. Denn selbst wenn man diesen Standpunkt einnehmen würde, so ergäbe sich daraus nicht zwangsläufig auch eine insgesamt (auf alle Insolvenzen im Konzern bezogen) schlechtere Gläubigerbefriedigung. Schon die Gesetzesbegründung erkennt an, dass Gläubiger einer Konzerntochter nicht dadurch schlechter stehen dürfen, weil diese Teil eines Konzerns ist.

Das Problem bei Konzerninsolvenzen ist aber vielmehr ein ganz anderes: Wird über die Konzernmutter ein Insolvenzverfahren eröffnet, zieht das womöglich auch überlebensfähige Teile des Konzerns mit in die Insolvenz. Vor allem Sanierungschancen werden dadurch gefährdet, dass in diesen überlebensfähigen Tochterunternehmen Absatzschwierigkeiten eintreten. Diesem Problem wird man aber nicht allein durch eine koordinierte Abwicklung der Insolvenz der Konzernmutter, oder mehrerer nicht mehr überlebensfähiger Tochterunternehmen begegnen können. Vielmehr sollte über die Schonung von überlebensfähigen Tochterunternehmen nachgedacht werden, bspw. dadurch, dass konzerninterne Insolvenzanfechtungen erschwert werden. Der Einwand, die Gläubiger der überlebensfähigen Tochter stünden dann im Ergebnis besser, weil sie Gläubiger einer Konzerntochter sind, greift zu kurz. Im Ergebnis steigert das nämlich die Veräußerungschancen der Tochter. Damit bleiben aber auch die Gesellschaftsanteile an dieser Konzerntochter werthaltig. Womit letztlich alle Gläubiger besser stehen.

Ferner erwähnt Siemon in NZI 2014, 55 das Problem des Forum Shoppings, als auch das der „distressed debt trader“.

Forum Shopping, aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum, meint dabei einfach die Wahl des günstigsten Gerichtsstandes. Dabei ist unter „günstigsten Gerichtsstand“ zu verstehen, dass das Gericht voraussichtlich der Rechtsansicht der Klägers/Antragsstellers nachkommen wird. Dafür, dass das nicht allein ein Problem des Common Law Systems ist, liefert das Hamburger Landgericht, sowie jüngst das Kölner Landgericht, in Urheberrechtsfragen im Zusammenhang mit sog. Streamingangeboten, „Raubkopien“ und Pornoseiten eindrucksvolle Belege. Warum der Gesetzgeber, trotz der erdrückend schlechten Erfahrungen mit § 32 ZPO bzgl. unerlaubter Handlungen in Presse und Internet, nun auch im Insolvenzrecht einen faktischen Wahlgerichtsstand einführt, bleibt ungeklärt.
Es mag zwar sein, dass der Gesetzgeber eine Gerichtsstandskonzentration im Auge hatte. Das ist auch zu begrüßen. Er ist aber über das Ziel hinaus geschossen, als er anordnete (§ 3c Abs. 1 InsO-E), dass faktisch an jeder Zweigniederlassung das gesamte Konzerninsolvenzverfahren abgewickelt werden kann. Damit wird den antragstellenden Schuldnern weitreichende Möglichkeiten eingeräumt. Der in § 3 Abs. 1 S. 1 2. HS und S. 2 InsO-E angeordnete Schutz wird kaum ausreichen, dem Forum Shopping vorzubeugen.

Das Geschäftsmodell der „distressed debt trader“ sieht vor, in marode Unternehmen zu investieren und aus dem Insolvenzverfahren Gewinne mitzunehmen. Das wird durch Investitionen in die Unternehmen erreicht, zu einem Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen bereits in finanzieller Schwierigkeiten steckt. So können günstig Gesellschaftsanteile und Forderungen erworben werden. Besonders eigenen sich hier natürlich Immobilienunternehmen und solche Unternehmen die operativ positiv arbeiten, aber bei denen das Finanzergebnis oder andere Umstände zu negativen Fehlbeträgen führen (Siemon a.a.O. S. 58).  Nachranggläubiger und Aktionäre können mithilfe des Insolvenzrechts aus dem Unternehmen gedrängt werden. Ein eindrucksvolles Beispiel, wie viel Gewinn mit diesem System erwirtschaftet werden kann, liefert Siemon (a.a.O. S. 59f). Auch hier müsste eine Reform ansetzen, da sich solche Konstellationen typischerweise in Konzernen abspielen. Diese werden, wie am Fall Suhrkamp gut zu beobachten, in die Insolvenz gedrängt, um den „Fesseln“ des Gesellschaftsrechts zu entgehen.

Über Christian Häntschel

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