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16. Mrz 2018

Musterfeststellungsklage – Kritische Würdigung zweier Zitate anlässlich des Weltverbrauchertags am 15.3.2018

Verfasst von

  1. Dr. Katarina Barley, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz: „Mit der Musterfeststellungsklage bekommen die Verbraucherinnen und Verbraucher noch in diesem Jahr eine Klagemöglichkeit nach dem Prinzip „einer für alle“ und werden damit mehr Möglichkeiten für eine erfolgreiche Rechtsdurchsetzung haben.“ (Abrufbar auf der Webseite des BMJV)
  2. Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband: „Die Musterfeststellungsklage würde uns Verbraucherzentralen und den Bundesverband sowie andere anerkannte Verbraucherverbände in die Lage versetzen, stellvertretend für viele Verbraucher Klagen einzureichen.“ (Im Interview mit Bastian Angenendt, Hamburger Abendblatt sowie Berliner Morgenpost, 15.3.2018

Dazu folgendes: Bei der Musterfeststellungsklage geht es um ein von einem Verband initiiertes Musterverfahren mit verjährungshemmender Wirkung für Individualansprüche. Das Ergebnis des Verfahrens soll Bindungswirkung für etwaige nachfolgende Individualprozesse entfalten. Grundsätzlich ist eine Musterfeststellungsklage also in der Lage, das Vorliegen eines Rechtsverstoßes festzustellen. Ein weiterer Vorteil einer Musterfeststellungsklage besteht darin, dass sie ohne individuelle Klageerhebung seitens eines Verbrauchers die Verjährung von dessen Ansprüchen hemmen kann.

Der große Nachteil der Musterfeststellung besteht aber darin, dass sie zu nichts verpflichtet. Die Feststellung hat keine weiteren rechtlichen Konsequenzen, so dass weder die durch das festgestellte Verhalten Geschädigten entschädigt werden, noch die rechtswidrige Geschäftspraxis in Zukunft untersagt ist. Nur wenn ein Geschädigter im Anschluss an das Musterfeststellungsurteil eigenständig klagt, kann er Entschädigung erhalten. Deshalb können die trotz Musterfeststellung notwendigen Einzelprozesse mühsam und kostenträchtig sein.

Tatsächlich repräsentiert der Verband also nicht individuelle Verbraucherrechte. Ergebnis der Klage ist vielmehr eine abstrakte Musterfeststellung. Im Anschluss an die Musterfeststellungsklage muss jeder Verbraucher noch selber seinen Anspruch einklagen, um einen vollstreckbaren Leistungstitel zu erhalten.

Schon vor Bekanntmachung anhängige Individualverfahren werden zudem – nach derzeitigem Entwurfsstand (§ 614 Abs. 2 DiskE)  – durch das Musterverfahren ausgesetzt. Wer zwischen Bekanntmachung des Musterverfahrens und Urteil im Musterverfahren individuell klagt, wird an ein Urteil im Musterverfahren nicht gebunden. Hat ein Verbraucher also bereits vor der Bekanntgabe der Musterfeststellungsklage geklagt, wird sein Verfahren ausgesetzt. Klagt er nachher, gibt es für sein Verfahren keine Bindungswirkung an das Musterfeststellungsurteil. Verkürzung von Individualrechtsschutz im kollektiven Interesse?

Erst besteht also für diejenigen, die das Musterverfahren nutzten möchten, keine Wahl zwischen dem Musterverfahren und der Individualklage, und dann muss im Anschluss an das Musterverfahren doch noch jeder einzeln klagen. Wenig überzeugend ist übrigens auch die Ungleichbehandlung zwischen der früheren und der späteren Klageerhebung. Die Anwendung des Prioritätsprinzips kennen wir bislang zwar bei der Rechtshängigkeitssperre, nicht aber bei Fragen der Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit.

Da im Anschluss an die Musterfeststellungsklage jeder einzelne Geschädigte noch einmal klagen muss, ist also der gesamte Instanzenzug ggf. zweimal zu durchlaufen. Und wenn sich im nachlaufenden Individualprozess herausstellt, dass die Musterfeststellung für das spezifische Verfahren gar nicht relevant ist, entfällt sogar die Verjährungshemmung; denn diese erfasst ja nur gleichgelagerte Lebenssachverhalte (Art. 7 DiskE). Das Abwarten auf die Musterfeststellung wird „bestraft“.

Bei genauerem Blick geht es hier also nicht um eine Repräsentation von individuellen Verbraucherrechten oder die Erweiterung von Klagemöglichkeiten der Verbraucher. Zu befürchten sind vielmehr langwierige Verfahren, die letztlich dem Einzelnen nur bedingten Nutzen bringen.

Über Caroline Meller-Hannich

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