5. Jan 2017
Der Entwurf für eine Musterfeststellungsklage liegt vor
Ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) für eine Musterfeststellungsklage ist laut Pressemeldungen in der Ressortabstimmung. Die Inhalte berichtet und bespricht etwa Benedikt Windau, Legal Tribune Online.
Das BMJV schlägt hiernach wie angekündigt eine Verbands-Musterfeststellungsklage vor, mit der für eine Vielzahl von Geschädigten gemeinsame Feststellungen in einem Musterverfahren bei den Landgerichten erreicht werden können. Klagebefugt sollen Verbraucherverbände und Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern sein. Der weite Anwendungsbereich der Musterfeststellungsklage beschränkt sich sinnvollerweise nicht auf Verbraucherangelegenheiten und bezieht insbesondere kleine und mittlere Unternehmen ein.
Die Geschädigten sollen am Musterverfahren nicht beteiligt werden, um missbräuchliche Klagetätigkeit zu verhindern. Die ausschließliche Prozessführung durch einen Verband dürfte darüber hinaus auch verfahrensbeschleunigend wirken. Geschädigte können sich mit ihren Ansprüchen in ein Prozessregister beim Bundesamt für Justiz eintragen, wodurch die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB gehemmt wird und das in Aussicht stehende Musterurteil für folgende Leistungsklagen bindend werden kann.
Ein Opt-in soll nach dem Referentenentwurf, so wird es berichtet, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Musterverfahren möglich sein und damit allerdings nicht mehr nach Kenntnis des Verfahrensergebnisses in der Entschädigungsphase, wie es etwa die action de groupe in Frankreich vorsieht. Indem sich nur die Geschädigten und nicht die Beklagten auf das Feststellungsurteil berufen können, geht mit der Anmeldung der Ansprüche zum Verfahren für die Geschädigten allerdings auch kein unmittelbarer rechtlicher Nachteil einher, sodass hiermit ein Ausgleich zur fehlenden Beteiligung der Anmelder im Musterverfahren gefunden wurde.
In dem Referentenentwurf sind somit eine Reihe von prozessökonomischen Elementen zum effektiven Ausbau des kollektiven Rechtsschutzes vorgesehen (vgl. Gsell/Meller-Hannich/Stadler, NJW-aktuell 5/2016, S. 14).
Nicht vorgesehen ist allerdings eine Bündelung der Verfahren in der Entschädigungsphase nach Abschluss des Musterverfahrens sowie die ehemals in Aussicht gestellte Reform der Gewinnabschöpfungsklagen für Fälle von geringwertigen und gleichwohl massenhaften Streuschäden. Die Geschädigten müssen ihre Leistungsansprüche auch zukünftig auf der Grundlage des Musterurteils in Einzelklagen durchsetzen. Ein Verweis auf die Einziehungsklage gem. § 79 Abs. 2 Nr. 3 ZPO dürfte zu den bekannten Mühen für die Verbände führen – erst recht, wenn eine neue Klage innerhalb von drei Monaten, die die Verjährungshemmung nach Beendigung des Musterverfahrens andauert (§ 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB), eingereicht werden müsste.
Ein Ausweg soll wohl eine erhöhte Vergleichsbereitschaft der Beklagten im Laufe des Musterverfahrens zum Anspruchsgrund sein. Der Entwurf sieht einen kollektiven und gerichtlich geprüften Vergleichsschluss vor, aus dem die Angemeldeten wie nach § 19 Abs. 2 KapMuG ausoptieren können. Für eine Vergleichsbereitschaft der Beklagten müsste allerdings hinreichend Aussicht auf Erfolg für die individuellen Entschädigungsklagen auf zweiter Stufe bestehen, die zumindest dann fehlen dürfte, wenn große Zahlen von Leistungsklagen nicht zeitnah erledigt werden können, Geschädigte absehbar eigene Folgeklagen nicht führen (vgl. Gsell/Meller-Hannich/Stadler aaO, S. 15) oder sich Einzelverfahren aufgrund von Einwendungen hinziehen (vgl. Windau, LTO).
Ob die nun vorgeschlagene Musterfeststellungsklage den erwarteten Beitrag zur Bewältigung kollektiver Verbraucherschäden leisten kann, hängt somit von dem Ineinandergreifen des Musterverfahrens und der Entschädigungsphase ab und außerdem davon, ob die Geschädigten tatsächlich ihre Ansprüche zum Prozessregister noch vor dem Abschluss des Verfahrens anmelden werden, sodass möglichst umfassend gleichgerichtete Sachverhalte durch die Musterverfahren erfasst werden.