17. Okt 2016
Volkswagen hilft nicht – Gruppenklagen lassen weiter auf sich warten
Wie die Süddeutsche Zeitung (Markus Balser, Klaus Ott und Katja Riedel) berichtet, hat das Bundesjustizministerium die Planungen zur Einführung von Muster- bzw. Gruppenklagen verschoben. Ein Gesetzentwurf soll nach Angaben des Ministeriums erst dem nächsten Bundestag vorgelegt werden.
Obwohl die Einführung von Muster- bzw. Gruppenverfahren ein begrüßenswerter Schritt ist, sollte man nicht übersehen, dass dieses Instrument wohl auch im Volkswagenskandal kaum einen Mehrwert bringen würde. Die Autoren gehen fehl in der Annahme, die Einführung eines neuen Verfahrens ziehe auch materiell-rechtliche Ansprüche nach sich. Der Schadensersatz setzt nämlich auch in einem Musterprozess den Nachweis eines Schadens voraus. Diesen im VW-Skandal zu erbringen dürfte schwierig sein. Die bisher ergangenen Urteile behandeln maßgeblich die Fragen des Rücktritts und der Mangelbeseitigungskosten. Letztere hat Volkswagen ohnehin schon zugesichert. Was soll es an Schadensersatz darüber hinaus noch geben? Mit dem Rücktritt ist auch die Frage der Minderung des Kaufpreises entschieden. Die Käufer hätten also durch einen Gruppenprozess nicht mehr erhalten, als sie jetzt schon bekommen.
Die sogenannte Sammelklage macht m.E. nur dort Sinn, wo massenhaft Kleinstschäden an Produkten des täglichen Lebens angerichtet werden, eine behördliche Reaktion auf ein Fehlverhalten kaum zu erwarten ist und das normale Zivilverfahren wegen seiner Dauer und seiner Kosten den Verbraucher vor einem Verfahren abschreckt. An Standardfällen kann man sich hier die Mogelpackung in Supermärkten vorstellen, in denen statt 1 Liter Flüssigkeit nur 990 ml Flüssigkeit enthalten sind.
In allen anderen Fällen wird man dem Verbraucher das normale Zivilverfahren zumuten können, da er es dann auch heute schon betreibt:
Entstehen, wie im VW-Skandal, Kleinstschäden (der Mangelbeseitigungsaufwand beträgt wohl 100 €) an hochpreisigen Produkten, scheinen schon jetzt Verbraucher eine Rückabwicklung durchzusetzen. Allein die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vertritt nach eigenen Angaben mehrere tausend Käufer.
Werden Behörden (wie das Kraftfahrtbundesamt) aktiv, muss der Schädiger ebenfalls handeln und nachbessern. Denkbar ist die Monetarisierung des Rechtsbruchs daher wohl nur in den oben beschriebenen Konstellationen.
……aber wäre es nicht (auch für die betroffenen Unternehmen) sinnvoll, in Fällen, in denen der einzelne Verbraucher durchaus zur Klage bereit ist, aber eine große Masse von Personen betroffen ist (sog. Massenschäden), die entscheidenden Rechtsfragen möglichst schnell und höchstrichterlich entschieden zu haben, statt mit tausenden von Prozessen die Gerichte zu beschäftigen und vielleicht sogar Jahre auf eine einheitliche Rechtsprechung warten?
Das könnte eine Musterfeststellungsklage mit einfacher verjährungshemmender Registrierung, Bindungswirkung des Musterentscheids und anschließender Möglichkeit zur Titulierung von Leistungsansprüchen und zum Vergleich bewerkstelligen.
Für die mit rationaler Apathie der Kläger einhergehenden Kleinsschäden (sog. Streischäden) macht hingegen vor allem die Gewinnabschöpfung Sinn.
Ja. Das stimmt natürlich. Die Gruppenklage hat viele Vorteile. Und ich bin mir ehrlich gesagt doch unschlüssig, ob es nicht auch eine gute Idee für andere Sachverhalte wäre. Mein Gefühl spricht eher dagegen, wobei ich zugegebenermaßen die Bindungswirkung und die einfache Vergleichsmöglichkeit für beachtenswerte Vorteile auch für den Beklagten halte.