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30. Apr 2015

AG Nienburg hält Dash-Cams für zulässig

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Das Amtsgericht Nienburg hält die Verwertung von Dash-Cam Aufzeichnungen mit Urteil vom 20.01.2015 (Az.: 4 Ds 155/14, 4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14)) in Strafsachen für zulässig. Die Begründung deckt sich teilweise mit der schon hier in diesem Blog vorgetragenen Sichtweise, wonach eine Abwägung der beteiligten Interessen nicht zu dem Ergebnis führen kann, dass Dash-Cam Aufzeichnungen generell unverwertbar seien:

Maßgeblich ist insoweit, dass die kurze, anlassbezogene Aufzeichnung nur die Fahrzeuge, aber nicht die Insassen der Fahrzeuge abbildet und nur Vorgänge erfasst, die sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignen. Der Eingriff in das Recht des Angeklagten ist daher denkbar gering, während das Interesse des Zeugen an einem effektiven Rechtsschutz besonders hoch ist. Denn gerade die gerichtliche Aufklärung von Verkehrsunfallereignissen leidet fast ausnahmslos unter dem Mangel an verlässlichen, objektiven Beweismitteln. Zeugenaussagen sind vielfach ungenau und subjektiv geprägt, Sachverständigengutachten kostspielig und häufig unergiebig. Der anlassbezogene Einsatz der Dashcam ist deshalb in dieser konkreten Fallgestaltung für den vom Zeugen verfolgten Zweck der Beweissicherung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. (Rn. 21)

Einer Auseinandersetzung mit der (polemischen) Argumentation des LG Heilbronn, nach der innerhalb kürzester Zeit jeder mit Kameras ausgestattet durch die Dörfer und Städte der Republik zöge, hätte es eigentlich nicht bedurft, gleichwohl äußert das Amtsgericht dazu:

Die Gefahr des späteren Missbrauchs von ursprünglich zulässig gefertigten Beweismitteln besteht immer. Die dem Einwand zugrundeliegende abstrakte Furcht vor allgegenwärtiger Datenerhebung und dem Übergang zum Orwell‘schen Überwachungsstaat darf nicht dazu führen, dass den Bürgern sachgerechte technische Hilfsmittel zur effektiven Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung kategorisch vorenthalten werden (ähnlich, aber mit anderer Begründung: Klann in DAR 2014, 451, 456). Die zulässig angefertigte Kameraaufzeichnung darf im Strafverfahren auch verwertet werden. Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer Verwertung entgegenstünden. Hierbei kann ohne weiteres auf die allgemeinen Grundsätze zur Verwertbarkeit von Beweismitteln mit Spannungsbezug zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht Dritter zurückgegriffen werden … (Rn. 22f)

In der Diskussion wird man das „Überwachungsstaatsargument“ beerdigen dürfen: Einerseits überwacht der Staat nicht, sondern der Bürger. Zweitens bleibt der Aufstand gegen die Überwachung im öffentlichen Raum ohnehin seit Jahrzehnten aus. Die Preisgabe auch persönlicher Informationen über Facebook, Twitter und Co. sogar im privaten Bereich deutet eher darauf hin, dass die Grenze der erträglichen Überwachung noch nicht erreicht ist. Drittens wachsen die Überwachungsmöglichkeiten des Bürgers auch durch die Verbreitung des mobilen Internets stets weiter. Portale wie www.fahrerflucht-zeugen.de  zeigen schließlich, dass das Bedürfnis dafür, Augen und Ohren am Fahrzeug zu haben, groß ist.

Der Gesetzgeber täte gut daran, Dash-Cams zeitnah zu regulieren. Mit den Rechten aller Beteiligter vereinbar dürfte ein System – unabhängig von der derzeitigen technischen Realisierbarkeit – sein, das mit einem Ringspeicher ausgestattet ist, welcher 30 Minuten abdeckt. Damit ist die Zeit überbrückt, die ein durchschnittlicher Arbeitnehmer für seinen Arbeitsweg aufwendet (zwischen 20 und 30 Minuten, Quelle).

Wem 30 Minuten zu lang erscheinen, der kann auch an die (großzügig bemessene) Hilfsfrist von 15 Minuten + 5 Minuten Sicherheitszuschlag anknüpfen. Das ist die Zeit, die Einsatzkräfte im Durchschnitt in den Bundesländern benötigen, um nach einem Notruf am Einsatzort anzukommen. Dabei wird nicht übersehen, dass die Hilfsfrist erst nach einem Unfall (bzw. Eingang des Notrufes) zu laufen beginnt, während die Frage der Aufzeichnungsdauer gerade den Zeitraum davor betrifft. Im schlimmstmöglichen Szenario – der Fahrer verstirbt bei dem Unfall – können die in 15 Minuten eintreffenden Helfer die Aufnahme stoppen und so die letzten 5 Minuten vor dem Unfall sichern.

Hält man auch das nicht für zulässig, sollte das System so versiegelt sein, dass der Fahrer die Aufzeichnung anhalten, jedoch den Speicher nicht ohne Siegelbruch entfernen kann. Bei Siegelbruch würde die Aufnahme unverwertbar.

Über Christian Häntschel

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