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20. Apr 2015

Richterbund und DJT wollen ab 1 € zum Landgericht

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Der Deutsche Richterbund hat sich in seiner Stellungnahme zu den Vorschlägen der länderoffenen Arbeitsgruppe „Verfahrenserleichterungen im Zivilprozess“ dem Beschluss des DJT Abteilung Prozessrecht Nr. II, 11, b) angeschlossen. Danach soll „der Gesetzgeber […] für Parteien die Option schaffen, als Eingangsinstanz das LG statt des AG und das OLG statt des LG auszuwählen bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Rechtsmittelinstanz (Berufungsinstanz). Dabei ist für diese Fälle sicherzustellen, dass die Kammer bzw. der Senat durch drei Richter entscheidet. Die Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren sollen sich nach der höheren Instanz richten.“

Dieser Vorschlag scheint, ungeachtet der sonstigen Probleme, die statistischen Folgen zu übersehen (alle folgenden Daten stammen aus der Fachserie 10 Reihe 2.1 des Statistischen Bundesamtes und können hier abgerufen werden; die statistischen Daten im Überblick: Amtsgericht: 1.093.547 Klageverfahren, 293 941 Streitige Urteile Landgericht: 327.761 Klageverfahren, 55.056 Berufungsverfahren, 89.918 Streitige Urteile, Oberlandesgerichte: 51.055 Berufungsverfahren).

Bei den Amtsgerichten gingen 2013 1.138.419 Verfahren neu ein. Davon wurden 1.093.547 Klageverfahren erledigt. Nimmt man einmal an, dass in 10 % der Fälle, der Kläger (?) von dieser Zuständigkeitsbestimmung Gebrauch macht, bedeutet das, dass die Landgerichte mit ca. 110.000 neuen Klageverfahren belastet würden. Die Einsparung an Berufungsverfahren vor den Landgerichten fällt demgegenüber jedoch nicht ins Gewicht. Bei den Amtsgerichten wurden 2013 293.941 streitige Urteile erlassen wovon wohl bei den Landgerichten 55.056 als Berufung erledigt wurden. Jedes fünfte Urteil wurde also mit der Berufung angegriffen. In Relation zu den 1.093.547 Klageverfahren bedeutet das, dass alle 3,7 Klageverfahren auch mit einem Urteil enden. Unter der Annahme 10 % der Verfahren würden vom Kläger direkt beim Landgericht erhoben, ergeben sich ca. 990.000 Klagen vor dem Amtsgericht und ca. 270.000 Urteile die sich in ca. 53.500 Berufungen niederschlagen.

Das Landgericht bekommt also statistisch 110.000 neue Klageverfahren und spart 1.500 Berufungen ein und soll auch noch in voller Besetzung mit 3 Richtern entscheiden? Leider sind Begründungen zu diesem Beschluss des DJT nicht aufzufinden. In Anbetracht dieser Zahlen (für das OLG ergibt sich Ähnliches) dürfte die Begründung für dieses Vorschlag aber mehr als interessant sein. Übrigens: Die Annahme von 10 % mag aus der Luft gegriffen sein, sie spielt für die Berechnung aber ohnehin keine Rolle.

Rechtlich scheint mir dieser Vorschlag in noch viel geringerem Maße durchdacht zu sein, weil sich schon auf den ersten Blick folgende Probleme stellen:

1. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO – Berufungssumme

Schließt § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die geplante Zuständigkeitsoption aus? Das wird man wohl annehmen müssen, andernfalls könnte der Kläger seine Klage auch in den Fällen beim Landgericht anhängig machen, in denen er sonst nie zum Landgericht gekommen wäre. Er stünde dann mit Streitwerten bis 600 € sogar besser, als mit Streitwerten darüber, da er in einer „echten“ Berufung § 531 ZPO ausgesetzt wäre. Ferner wäre der Beklagte sogar in Bagatellstreitigkeiten gezwungen, sich anwaltlich vertreten zu lassen.

2. Wahlberechtigung

Wer entscheidet, ob die Streitsache in der höheren Instanz unter Verzicht auf Rechtsmittel anhängig gemacht werden kann? Schon de lege lata können die Parteien übereinstimmend das Landgericht statt des Amtsgerichts als Eingangsinstanz wählen, § 38 ZPO. Der Vorschlag ist also nur bei einer einseitigen Wahlberechtigung, nämlich durch den Kläger, ein Mehr an Befugnissen zur jetzigen Rechtslage. In diesem Fall dürfte aber § 38 ZPO nicht umgangen werden können.

3. Rechtsmittelverzicht

Wenn das Wahlrecht, wovon hier ausgegangen wird (siehe 2.), allein beim Kläger liegt, dürfte interessant sein, wie sich der Vorschlag auf das Rechtsmittelrecht des Beklagten auswirkt. Darf er dann trotzdem Berufung oder (nur) Revision einlegen oder wird ihm (einseitig) vom Kläger ebenfalls der Rechtsmittelverzicht aufgedrängt?

Über Christian Häntschel

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