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24. Feb 2015

Dash – Cam Aufzeichnungen vor Zivilgerichten unverwertbar?

Verfasst von

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn befasst sich im Urteil vom 03.02.2015 (Az.: I 3 S 19/14) mit der Verwertbarkeit sog. Dash-Cam Aufzeichnungen. Dabei handelt es sich um Kamerasysteme im Inneren von Fahrzeugen, die den Fahrverlauf aufzeichnen um bei einem Unfall den Hergang dokumentieren zu können. Die Qualität der vorhandenen Systeme unterscheiden sich dabei teils erheblich. So gibt es Systeme, welche eine Speicherung des kompletten Fahrverlaufs ermöglichen, mit Nachtsicht ausgestattet sind und mittlerweile sogar in einer UltraHD Auflösung aufzeichnen. Ferner ermöglichen viele Systeme eine sog. Ringsicherung. Hier werden die Daten nur über einen gewissen Zeitraum gespeichert und danach mit den neuen Daten überschrieben. So wird ein Unfall nur dann gespeichert, wenn der Fahrer die Aufzeichnung nach dem Unfall anhält und verhindert, dass eine Weiteraufzeichnung die Aufnahme des Unfallhergangs löscht.

Die Kammer hält nun diese Aufzeichnungen, egal welcher Art, für unverwertbar und begründet das sogleich aus der Verfassung heraus. Einfach gesetzliche Erwägungen finden demgegenüber nur noch sehr begrenzt Raum.

Die Begründung der Kammer kann letztlich nicht überzeugen.

Es mag zunächst zutreffen, dass das anlasslose Filmen aller Passanten und Verkehrsteilnehmer einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung darstellt. Auf der anderen Seite steht jedoch nicht einfach nur das Recht des Fahrzeugführers/ -halters Beweise zu erlangen, wie es die Kammer ausführt. Sie hätte vielmehr ebenfalls in Betracht ziehen müssen, welchen Eingriffen Kraftfahrzeugführer ohnehin schon ausgesetzt sind. Tut man dies nicht, kann man theoretisch quantitativ unbegrenzt in das jeweilige Grundrecht eingreifen.

Am Straßenverkehrsrecht kann man das auch durchexerzieren: Zunächst konnten Fahrzeuge beliebiger Bauart und beliebiger Leistung betrieben werden. Nach und nach kam die Verpflichtung hinzu, Spiegel anzubringen, Fahrtrichtungsanzeiger einzubauen, Sicherheitsgurte erst vorzuhalten, dann auch zu benutzen, schließlich kamen die Pflichtversicherung und die Gefährdungshaftung. 2018 wird dann mit dem „eCall“ die nächste Stufe der Freiheitseinschränkungen gezündet. Über den Sinn und Unsinn all dieser Verpflichtungen soll hier jedoch nicht geschrieben werden. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Kammer hätte anschauen sollen, was denn eigentlich von der allgemeinen Handlungsfreiheit im Hinblick auf das Autofahren und dem Eigentum am KFZ noch übrig ist, anstatt umgekehrt das Beweissicherungsinteresse als singuläres Interesse gegen das zunächst übermächtig aufgebaute Recht auf informationelle Selbstbestimmung antreten zu lassen.

Betrachtet man das ganze nämlich aus der umgekehrten Perspektive, gestaltet sich ganz schnell ein ganz anderes Bild: Der Kraftfahrer hat nicht nur die Pflicht, sein Fahrzeug zu versichern, er haftet auch verschuldensunabhängig für alle Schäden und das obwohl ihm nach der StVZO schon ganz erhebliche Schutzsysteme vorgeschrieben werden. Mit anderen Worten: Trotz des Umstandes, dass der Kraftfahrer nach den gesetzlichen Vorschriften nahezu allein für die Sicherheit im Straßenverkehr verantwortlich ist, verschuldensunabhängig haftet und sein Fahrzeug zu versichern hat, bekommt er jetzt nicht einmal die Möglichkeit , in den wenigen Ausnahmefällen, in denen auch ein anderer derart die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet hat, dass die Haftung des Halters/Fahrers begrenzt wird,  den Unfallhergang zu beweisen. Der Trend ist absehbar. Der Umstieg aufs Pferd dürfte sich dann bald wieder lohnen. Auf Polemik muss an dieser Stelle schon deshalb nicht verzichtet werden, weil sich auch die Kammer einer gewissen Polemik nicht enthalten konnte, wenn es heißt:

 

würde dies bedeuten, dass innerhalb kürzester Zeit jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem Pkw, sondern auch an seiner Kleidung befestigen würde, um damit zur Dokumentation und als Beweismittel zur Durchsetzung von möglichen Schadensersatzansprüchen jedermann permanent zu filmen und zu überwachen.
(LG Heilbronn, Urteil vom 03. Februar 2015 – I 3 S 19/14, 3 S 19/14 –, Rn. 17, juris)

Das es sich bei dieser Folgerung nur um Polemik, statt einer sachlichen Argumentation handeln kann, zeigt ein Blick nach Indien und Russland, wo Dash-Cams zum Alltag gehören, jedoch niemand mit Kameras an seiner Kleidung herum läuft.

Gerade die oben angesprochene Ringsicherung sollte einen guten Ausgleich zwischen den Belangen aller Beteiligten darstellen. Einer anlasslosen Dauerspeicherung aller Verkehrsvorgänge belastet hingegen die informationelle Selbstbestimmung aller Beteiligten ebenso stark und damit unzulässig, wie es das Totalverbot für Dash-Cams auf der anderen Seite tut. Man sollte nicht übersehen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (in seiner Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung) aller Beteiligten allenfalls in der Sozialsphäre betroffen ist.

Ebenfalls nicht überzeugend ist folgende Argumentation:

 

Im vorliegenden Fall können die einzelfallbezogenen Umstände kein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Beweissicherung begründen. So sind Abbildungen von Passanten und Verkehrsteilnehmern auf öffentlichen Straßen und Wegen, die nur als Beiwerk des Stadt- oder Straßenbildes mit erfasst werden, von diesen zwar zunächst auch ohne weiteres hinzunehmen (BGH NJW 1995, 1955). Geht es jedoch um die gezielte und verdeckte Fertigung von Bildaufnahmen, muss dann etwas anderes gelten, wenn die Betroffenen nicht absehen können, ob Aufzeichnungen gefertigt werden.
(LG Heilbronn, Urteil vom 03. Februar 2015 – I 3 S 19/14, 3 S 19/14 –, Rn. 17, juris)

Auch bei der Dash-Cam Aufzeichnung sind Passanten und die am Unfall nicht Beteiligten nur Beiwerk. Ferner geschehen auch die Aufzeichnungen des Stadt- und Straßenbildes (für die Passanten und Verkehrsteilnehmer) in der Regel verdeckt. Der einzige Unterschied ist also die Zielgerichtetheit. Die Kammer hätte folglich auch sagen können, dass Passanten und (nicht am Unfall beteiligte) Verkehrsteilnehmer eben kein Beiwerk sind, wenn mit dem Ziel der Beweissicherung Aufnahmen gemacht werden. Warum dieser Belang weniger wiegt, als die bloße Hobbyaufzeichnung des Straßen- und Stadtbildes, erschließt sich jedoch nicht.
Bleiben also einzig die am Unfall beteiligten Verkehrsteilnehmer. Diese haben aber, wenn sie sich rechtmäßig verhalten, ebenfalls ein Interesse an der Beweissicherung und wenn sie sich rechtswidrig verhalten ohnehin kein Recht auf Vertuschung. Im Übrigen würde ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung das Beweissicherungsinteresse nicht überwiegen, da sie schon strafrechtlich zur Identitätspreisgabe verpflichtet sind, § 142 StGB.

Die normative Kraft des Faktischen wird das Problem ohnehin bald aus der Welt schaffen, wenn statt Dash-Cams „zufälliges“ von Smartphones generiertes Filmmaterial auftaucht, oder eben solche Szenen Alltag werden würden.

Über Christian Häntschel

1 Kommentar

  1. Ein_User_von sagt:

    bleibt zu hoffen übrig, das solche Urteile immer Einzelfälle bleiben. So richtig mit dem Thema warum und wieso sich Autofahrer solche Kameras hinter die Scheibe schnallen, damit haben sich die Minderheit befasst.

    Der klare Trend – wie man ihn bis dato beobachten kann – geht eindeutig in Thema Beweissicherung, und nicht Richtung “ wie schwärze ich andere Autofahrer an“

    Wer Interesse hat kann hier mal reinlesen

    Gründe für eine Dashcam:

    http://dashcamforum.de/wbb/index.php/Board/13-Gr%C3%BCnde-f%C3%BCr-eine-Dashcam-im-Auto/

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