5. Apr 2016
Fischer im TV und emotionale Gesetzgebung
Die Justizministerkonferenz schlug im Frühjahr 2015 vor § 169 Satz 2 GVG dahingehend zu ändern, dass Urteilsverkündungen der obersten Bundesgerichte – ähnlich wie derzeit schon am Bundesverfassungsgericht praktiziert – der Videoaufzeichnung zugänglich sein sollen. Damit hätten Fernseh- und Rundfunksender auch die Möglichkeit, Urteilsverkündungen live zu übertragen.
Diesem Anliegen treten die 5 Präsidenten der obersten Bundesgerichte in einem Schreiben an Bundesjustizminister Maas nun entgegen, wie LTO berichtet. Die Erwiderung aus den Reihen des Bundesgerichtshofes bleibt natürlich nicht aus (siehe verlinkten Artikel).
& INTERVIEWS AFTER">In der Debatte wird derzeit jedoch ein Aspekt übersehen. Videoaufzeichnungen von Urteilsverkündungen können dazu benutzt werden, die öffentliche Meinung zu lenken. Dabei sollte man sich weniger vor Satiresendungen fürchten, als vielmehr vor den Reaktionen etwaiger Angeklagter in Strafverfahren. Die „Emotionalisierung“ bestimmter Debatten lässt sich mit Videoaufzeichnungen von „& INTERVIEWS AFTER">SHOCKING DIABOLICAL KID KILLER“ viel leichter bewerkstelligen. Schon heute beeinflussen Videoaufzeichnungen, beispielsweise der Kölner Silvesternacht, die Debatten um die Verschärfung des Sexualstrafrechts.
& INTERVIEWS AFTER">Einer nicht von Emotionen geleiteten Rechtsprechung und Gesetzgebung dürfte das nicht zuträglich sein.
Hinzu kommt ein anderer Aspekt, den der Urheber der Erwiderung auf das Schreiben der Präsidenten, Prof. Dr. Andreas Mosbacher, Richter des 1. Strafsenates beim BGH, aufwirft:
Das „Ansehen der Justiz“ nimmt mehr Schaden durch anderes – […] unwürdige und alles lähmende Konkurrentenstreitverfahren sowie Profilneurotiker in roter Robe.
Zum letzten Punkt ergänzend: Selbstverständlich besteht auch die Gefahr, dass sich mancher dazu berufen fühlt, die Live-Übertragung und TV-Aufzeichnung einer Urteilsverkündung als Bühne für seinen persönlichen Ego-Trip zu nutzen. Diese – jedem öffentlichen Auftritt anhaftende – Gefahr scheint mir indes vernachlässigenswert gering, ist doch erfreulicherweise nur ein geringer Bruchteil der Kollegen für solche Versuchungen anfällig und kann sein Ego nicht der Sache unterordnen.
Dem Autor Mosbacher wird man wohl keinen Seitenhieb auf den Vorsitzenden des 2. Strafsenates des Bundesgerichtshofes unterstellen können. Tatsächlich besteht die Gefahr jedoch, dass der nur geringe Bruchteil der Richter, der für „Ego-Trips“ anfällig ist, in den Medien überrepräsentiert sein wird. Es kommt eben nicht darauf an, dass die Anzahl der Richter vernachlässigenswert gering ist, die anfällig für solche „Ego-Trips“ ist. Schon ein Richter reicht, um die Vorstellung der Öffentlichkeit von allen Richtern zu verändern. Denn irgendwann stellen sich auch bei, das Rampenlicht suchenden Richtern negative Berichte ein.
Davor muss man sich natürlich nicht fürchten, sollte aber die Risiken und den Zweck der Öffentlichkeit mitbedenken:
Der Zweck des Öffentlichkeitsprinzips ist neben der Kontrolle staatlicher Machtausübung auch eine Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit sowie des Vertrauens der Allgemeinheit in die dritte Gewalt.
(MüKoZPO/Zimmermann GVG § 169 Rn. 1, beck-online)
Wozu darüber hinausgehen?
Heute (14.4.2016) in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, S. 6 „Staat und Recht“ zwei interessante kontroverse Artikel zu diesem Thema: „Die Justiz muss sich öffnen“ von Burkhard Hess und „Die Justiz ist kein Zirkus“ von Heiner Alwart.